Uraufführung „Melanchthon“ Oratorium

Am 26.8.18 wurde das „Melanchthon“ Oratorium mit dem Text von Andreas Hillger und meiner Musik in Wittenberg uraufgeführt. Vielen Dank an alle Beteiligten für die tollen Aufführungen! Besonders an den Dirigenten Michael Weigert, die Solisten, Barbara Berg und Frank Roder, den großen Chor und das Orchester. Danke!


Die Mitteldeutsche Zeitung schrieb:

Wittenberg – Er wurde nicht beinahe vom Blitz erschlagen, nicht zum eigenen Schutz entführt, er nahm keine fremde Identität an und hat vermutlich auch nie sein Tintenfass an die Wand geworfen. Vergessen ist er weiß Gott nicht, doch hat – anders als beim lautstarken Luther – niemand es bislang unternommen, das Leben des Reformators Philipp Melanchthons in eine dramatische Form zu gießen. Das Reformationsjubiläum 2017 im Rücken bot nun Gelegenheit, auch den „Praeceptor Germaniae“, den „Lehrer Deutschlands“, auf die Bühne zu heben.
Anlässlich der Ankunft Melanchthons in Wittenberg vor 500 Jahren wurde im Auftrag des Kirchenkreises Wittenberg am Sonnabend in der prächtigen Nikolaikirche zu Jessen vor rund 200 Besuchern das Melanchthon- Oratorium „Gott.alein/die.Ehr“ zur Uraufführung gebracht. Zwei weitere gut besuchte Aufführungen folgten Sonntagnachmittag und -abend in der Phönix-Theaterwelt Wittenberg.
Aufgeboten war dafür so einiges: Ein Sprecher und Solisten, ein großer Projektchor des Kirchenkreises, Kinderchöre aus Wittenberg und Zahna, schließlich Musiker des Paul-Gerhardt-Projektorchesters und der Anhaltischen Philharmonie Dessau unter der Leitung von Michael Weigert.
Doch wie presst man Musik aus einem Leben, dessen sichtbare Früchte Bücher, Vorlesungen, kluge Gedanken und gelehrte Disputationen sind? Die jüngere Musikgeschichte ist voll von bedingt gelungenen Versuchen, der Vita von Geistesgrößen (Bach! Luther!) einen schlüssigen Plot abzuringen. So standen der Komponist Christoph Reuter – Jazzmusiker und Pianist – und sein Librettist Andreas Hillger – Autor, Dramaturg und Journalist aus Dessau – vor einer nicht unerheblichen Aufgabe. Für die sie jedoch überzeugende Lösungen fanden.
Nur einmal Spott
Eine bestand darin, den Lebenslauf des 1497 im badischen Bretten geborenen Melanchthon einem Ich-Erzähler anzuvertrauen. Frank Roder gab ihn, angemessen wortreich, mit derjenigen Präzision und Würde, die Melanchthons Ansehen entsprechen. Die äußere Erscheinung des Luther-Freundes zu imitieren – 1,50 Meter klein, hinkend, lispelnd – wäre wohl wenig hilfreich gewesen.
Als Gegenpart Roders trat ein Chor auf, der – ganz in barocker Tradition – die Handlung reflektierte oder in gesungenen Gebeten ein musikalisches Zeugnis des Glaubens gab. Einmal nur durfte der Kinderchor in die Rolle ahnungsloser Mitschüler schlüpfen und über den strebsamen Philipp spotten.
Den Christen Melanchthon in den Mittelpunkt zu stellen, nicht zuerst den Gelehrten, vielmehr den Mittler zwischen Glauben und Vernunft, das war eine bemerkenswerte, erhellende Entscheidung Andreas Hillgers. „Lernend sollt ihr [Gott] erfahren / Staunend vor der Schonheit steh’n, / Und, gereift an Geist und Jahren, / Andächtig durchs Leben geh’n“, singt der Chor.
Hillgers poetischer, geistreicher, von Plattitüden freier Sprache ist es zuerst zu verdanken, dass dieses Oratorium Tiefe hat, ohne sich dem Hörer durch intellektuelle Eitelkeit zu entziehen. Selbst wenn der echte Melanchthon zu Wort kommt.
Mit Freude und Hintersinn
Christoph Reuters eingängige Musik bildet zu dieser Innigkeit bisweilen einen Kontrast. Sie ankert fest im Boden der Tonalität, steht stilistisch zwischen Musical und Symphonic Rock, ist dabei durchsichtig instrumentiert. Am besten ist sie, wenn sie rhythmische Fahrt aufnimmt. Den Chor setzt Reuter nie im vierstimmigen Satz ein (was angesichts der tapferen, doch wenigen Männerstimmen auch schwierig gewesen wäre), sondern oft einstimmig, vereinzelt polyphon.
In den mitunter kantigen Deklamationen scheint von Ferne ein Antikenchor durch – vielleicht eine Reverenz an Melanchthon, den König der Altsprachler. Wie bereits in seinem „Elbe-Oratorium“ zitiert Reuter mit Freude und Hintersinn: Drei Bach-Arien stellt er mit neuem Text zwischen die eigenen Chöre, um einer singenden „Seele“ (souverän und charmant: Barbara Berg) als Ratgeberin des Reformators Raum zu geben. Roder alias Melanchthon darf auch mal selbst singen – Noten von Leonard Cohen.
Das große und heterogene Ensemble zeigte in dem mit 90 Minuten durchaus umfangreichen Werk bereits in der Uraufführung nicht nur hohes Engagement, sondern auch Geschlossenheit: Keine Selbstverständlichkeit, bedenkt man, wie viele Sänger und Instrumentalisten – zahlreiche Laien, wenige Profis – Michael Weigert hier mit einer überschaubaren Zahl von Proben in Zusammenklang bringen musste. Der große Jubiläumstross hat Wittenberg vor einem Jahr verlassen – doch hier wird weiter Reformation gefeiert. Gut so.
Weitere Aufführungen des Oratoriums sind nach Auskunft von Autor Andreas Hillger momentan nicht geplant. Es werde jedoch darüber nachgedacht, das Werk an einen Verlag zu geben, so dass es auch andernorts aufgeführt werden könnte. (mz)

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